Helga und Edzard Reuter-Stiftung

Preisverleihung 2011


Für seine wissenschaftliche Arbeit und sein beharrliches Bemühen um eine vorurteilsfreie und deswegen fruchtbare Integration innerhalb der europäischen Gesellschaften erhält Werner Schiffauer den Stiftungspreis 2011.

Für ihre ihren vielfältigen Anregungen für eine respektvolle gesellschaftliche Integration, besonders als künstlerische Leiterin des Ballhauses Naunynstraße in Berlin, erhält Shermin Langhoff den Stiftungspreis 2011.


Aus der Festveranstaltung

Zur diesjährigen Preisverleihung sprach die Präsidentin der Humboldt-Viadrina School of Governance, Professor Dr. Dr. h.c. Gesine Schwan. Integration bedeute nicht Anpassung einer Minderheit an eine Mehrheitsgesellschaft, sondern Teilhabe aller Menschen im Sinne des Gemeinwohls. Die frühere Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten plädierte für einen respektvollen Umgang auch mit andersartigen Traditionen und wandte sich gegen populistische Fremdenfeindlichkeit: „Nationale Zusammengehörigkeit wird nicht desto stärker, je enger oder abgeschotteter, sondern je eigenständiger und freiwilliger sie praktiziert wird.“ Eine aktive gesellschaftspolitische Integrationspolitik sei für eine gedeihliche Zukunft der Bundesrepublik unverzichtbar, betonte Schwan im Max-Liebermann-Haus der Stiftung „Brandenburger Tor“ (Landesbank Berlin Holding AG). „Das Glück reicher und vielfältiger Identitäten, das uns selbst und den anderen nützt, macht das Fenster weit auf für ein helles weltoffenes Deutschland in einem hellen weltoffenen Europa.“

Edzard Reuter, der Stifter und Kuratoriumsvorsitzende, freute sich, dass mit den Preisträgern erneut zwei engagierte Menschen aus der Mitte der Gesellschaft geehrt würden, die sich in ihrem unmittelbaren Arbeits- und Lebensumfeld unprätentiös für die Völkerverständigung engagieren. Die Preisträger könnten Vorbild für junge Menschen aus allen Gesellschaftsschichten sein, hob Reuter anlässlich der Überreichung der Urkunden und Preisgelder hervor.

Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz würdigte in seiner Laudatio Shermin Langhoff. Sie sei „ihr ganzes künstlerisches Leben an den Schnittstellen zwischen Hoch- und Subkultur, zwischen alt- und neu-deutscher Künstlerszene“ aktiv und habe im Ballhaus Naunystraße Themen und Probleme von Migranten auf die Bühne gebracht, ohne dabei „Ghetto-Theater“ zu machen. Stattdessen habe sie ein „politisch waches Theater“ entwickelt, das über die Grenzen der Stadt hinaus wahrgenommen werde. Dabei schaffe sie es, „eine Kultur der Anschluss- und Übergangsfähigkeit zwischen dem Eigenen und dem Fremden herzustellen“.

Shermin Langhoff wird für ihre Integrationsarbeit in der Kunstszene geehrt. Seit 2008 wirkt sie als künstlerische Leiterin am Ballhaus Naunystraße, einem Theater in Berlin, in dem Stücke inszeniert werden, die zur Förderung eines interkulturellen Dialogs beitragen sollen. Zuvor war Langhoff Kuratorin am Hebbel Theater in Berlin und hat u.a. als Produzentin und Regieassistentin im Film gearbeitet. Im Alter von neun Jahren war die im türkischen Bursa geborene Langhoff nach Deutschland gekommen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Gesine Schwan verwies in ihrer Laudatio auf Prof. Dr. Werner Schiffauer, dass er „eine Kultur der Differenz“ befürworte, die Schwan „ganz allgemein für pluralistische Demokratien für angemessen“ hält. Schiffauers Botschaft, „die auf Respekt vor den Mitmenschen baut, nicht nur auf Duldung, halte ich für unser demokratisches Zusammenleben ganz allgemein, aber unter der Bedingung von Globalisierung noch einmal mehr für überaus wertvoll. Wenn sie dann auch noch wie bei ihm mit einem feinen Sinn für Humor, Selbstironie und Wohlwollen gegenüber den Mitmenschen daherkommt, ist sie köstlich“, so die Laudatorin.

Prof. Dr. Werner Schiffauer erhält den Stiftungspreis für seine Untersuchungen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen neuerer Entwicklungstendenzen der islamischen Religion. Der gebürtige Oberfranke lehrt seit 1995 an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder vergleichende Kultur- und Sozialanthropologie. Er gehört dem Rat für Migration an, einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern, deren alle zwei Jahre veröffentlichter „Migrationsreport“ stets viel Beachtung findet.